Die frechen Vierbeiner mit geringeltem Schwanz und der schwarz-pelzigen Räubermaske machen seit mehr als 50 Jahren die Berliner Mülltonnen und Parks unsicher. Dabei unterscheiden sie sich von den Ratten, Füchsen und Wildschweinen, die auch bei uns auf Futtersuche sind. Waschbären werden ihrem Ruf gerecht. Sie sind außerordentlich intelligent, neugierig und opportunistisch zu sein. Außerdem fühlen sich überall dort wohl, wo wir sie nicht haben wollen, in unseren Kellern, Dachböden, Gartenlauben oder Balkonen. Was vielen unbekannt ist: Bei der Bewältigung des Problems stellen ethische und rechtliche Einschränkungen eine zusätzliche Hürde für Betroffene sowie Naturschützer dar. Warum sie nicht nur der angerichtete Schaden in unseren vier Wänden zum Problembären macht, erklärte mir Katrin Koch, Landwirtin und Mitarbeiterin beim Naturschutzbund Berlin (NABU).
Nimmt der Waschbär einen großen Anteil ihrer Arbeit ein?
Ja. Es ist nach dem Fuchs das Zweit-häufigste Beratungsthema.
Der NABU Landesverband Berlin setzt sich für Umwelt- und Artenschutz ein. Ist denn der Berliner Waschbär eine Art, die geschützt werden sollte?
Nein, die Waschbären sollen natürlich nicht geschützt werden. Sie haben einen ganz anderen Schutzstatus als unsere heimischen Wildtiere.
Wie helfen Sie Menschen, die ein Problem mit Waschbären haben?
Wir können leider nur durch eine Beratung helfen. Ich hoffe das es auch tatsächlich eine Hilfe ist, also Hilfe zur Selbsthilfe. Das ist eigentlich alles was wir machen können. In seltenen Fällen kommt auch ein Stadtjäger, und zwar immer dann, wenn es um eine Not-Tötung geht. Diese haben eine entsprechende Ausnahme-Genehmigung, für die sogenannte Stadt-Jagd und müssen sich dann auch nicht rechtfertigen, weil grundsätzlich in Berlin der Waschbär nicht gejagt wird. Man braucht sogar für den Abschuss eines Waschbären eine Sondergenehmigung. Seit ich hier das Wildtier-Telefon mache gab es das nur ein einziges Mal.
Laut EU-Verordnung Nr. 1143 von 2014 ist der Waschbär eine invasive Art und darf nicht in der freien Wildbahn ausgesetzt werden. Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Tiere, die einmal aus der Natur entnommen werden, bis zu ihrem Tod in Gefangenschaft leben müssen. Erschwert Ihnen das die Arbeit?
Das ist ne ganz schwierige Sache, weil auch der Tierschutz-Gedanke dabei eine Rolle spielt. Der Finder eines Waschbären ist in einem furchtbaren Dilemma. Wenn es ein Welpe ohne Mutter ist könnte das Tier erlöst werden durch einen Stadtjäger. Da können Sie sich vorstellen, dass das eine absolut undankbare Aufgabe ist, und der Tierarzt würde sich weigern. Ich finde eine Nottötung unter Umständen für ethisch vertretbar. Was ich schwieriger finde ist solche Tiere, mit solchen Fähigkeiten ein Leben lang im Käfig zu halten.
Für wen sind die Waschbären eher ein Problem, für den Menschen oder für unsere heimischen Arten?
Leider gibt es schon Untersuchungen, nach denen der Waschbär verheerend wirkt. Es gibt ein Projekt nachdem im Linumer Teichgebiet keine Bodenbrüter mehr hochkommen. Alles was am Ufer, im Schlamm brütet, reproduziert sich nicht mehr. Die Waschbären machen sich auch sehr sehr zu schaffen an den Amphibienbeständen. Also man muss mächtiges Geschütz auffahren, um bestimmte Gelege dann zu schützen. Das bekommt man bei Wildschweinen vielleicht noch hin, aber vor so einem exzellenten Kletterer wie dem Waschbären ist gar nichts sicher. Er erweist sich als extrem produktiv im Absammeln geeigneter Nahrung, so dass er aus ökologischer Sicht erhebliche Probleme macht. Dazu kommt noch der Schaden, wenn er den Leuten ins Haus steigt. Ist eine Waschbär-Familie einmal drin, kommt der Mensch nicht mehr zur Ruhe. Da werden Latrinen eingerichtet und aus Neugier oder Tatendrang Dämmwolle, Leitungen und Tapete angegangen. Das wirksamste, um ihn dann wieder herauszubekommen sind Elektroanlagen mit Drähten, die ihm einen Schock versetzen. Aber feststeht, Berlin ist für den Waschbären ein idealer Lebensraum.
Haben Sie einen Ansatz oder Vorschlag für das Waschbären-Problem?
Wir müssen über Nottötungen reden und über das Töten von Waschbär-Welpen. Dabei will sich zurzeit niemand damit beschäftigen. Auf den sogenannten Waschbär-Maßnahme-Blättern wird über eine Tötung nicht geredet. Denn wer will schon einen kleinen niedlichen Waschbär-Welpen töten? Sollen dann die Stadtjäger die ganze Drecksarbeit machen und kleine Welpen um die Ecke bringen? Also würde ich jetzt immer sagen: Wenn Sie einen Waschbären gefunden haben und die Mutter ist weg. Lassen Sie ihn da, warten Sie ab. Mama holt die vielleicht. Geben Sie ihnen eine Chance in ihrem natürlichen Umfeld zu überleben.